


10.09.2009 / Ubi Bene
Juan Amador ist Visionär, aber kein schwärmerischer Schöngeist. Der im schwäbischen Strümpfelbach aufgewachsene Sohn spanischer Einwanderer hat hart geschuftet, bis ihm der Guide Michelin drei Sterne für sein Restaurant „Amador“ im südhessischen Langen verlieh. Es ist die höchste Auszeichnung, die sich ein Koch wünschen kann. In Deutschland dürfen sich nur noch acht Kollegen neben dem 40-jährigen Vertreter der Avantgarde-Küche darüber freuen. Jetzt hat er in Mannheim das Restaurant „Amesa“ eröffnet.
Amador versteht sich als Herdkünstler. Mit der Kunst eines Anselm Kiefer, Joseph Beuys oder Damien Hirst konnte er dagegen nicht viel anfangen. Zumindest nicht bis Mitte vergangenen Jahres, als ihm der inzwischen verstorbene Heidelberger Gesichtschirurg Joachim Mühling seine Privatsammlung in der ehemaligen Mannheimer Schildkröt- Fabrik zeigte und ihn fragte, ob er nicht Lust hätte, in dem 1873 gebauten Industrie-Denkmal ein Lokal aufzumachen. „Mein erster Eindruck war: Wahnsinn“, erzählt Juan Amador heute im Gespräch mit UBI BENE.
„Diesen Hallen wohnt ein eigener Zauber inne.“ Palästen und Schlössern sieht man an, was einen hinter den Mauern erwartet. Aber hier, am riesigen Parkplatz des Metro-Großmarkts im Mannheimer Stadtteil Neckarau, erlebt man eine faustdicke Überraschung.
Wo einst Spielzeug-Puppen aus Celluloid hergestellt wurden, führt jetzt eine unscheinbare Tür in das „Amesa“. Das ist spanisch und heißt auf Deutsch „zu Tisch“. Der Gast lässt sich nicht zweimal bitten. Drinnen empfängt ihn kühle Sachlichkeit. Er sieht weiß gestrichene Wände, matt
schimmernden Stahl und viel Rot. Das Interieur hat der Mannheimer Innenarchitekt Mathias Reuter von Reuter und Schmidt in Zusammenarbeit mit dem Designer Norbert Hacker gestaltet. Die runden roten Teppiche wirken wie riesige Punkte, auf denen die Tische und die weißen, lederbezogenen Designer-Stühle stehen. Dazwischen recken sich weiß-rote Röhren, die abends von innen leuchten, als Raumteiler zur Decke. Zur
Industrie-Architektur passt das puristische Ambiente kongenial.
Das Essen kommt aus der High-Tech-Küche
In warme Farben und weiche Formen eingekleidet ist hingegen der weibliche Service – dafür sorgt die Mannheimer Mode-Designerin Dorothee Schumacher. Maximal 34 Gäste haben die jungen Damen zu betreuen.
Die Terrasse im rund 1.000 Quadratmeter großen Innenhof eröffnet den Blick auf das imposante, abends illuminierte Kesselhaus, das nun die Objekte des deutschen, aber meist in Frankreich lebenden Künstlers Anselm Kiefer beherbergt. Zum Restaurant gehören noch ein Private-Dining-Bereich, eine Raucherlounge und ein begehbarer Weinkeller.
Auch wenn Amador der Ruf vorauseilt, er sei das deutsche Pendant des spanischen Molekular-Zauberers Ferran Adrià, so kann der Besucher in Mannheim beruhigt sein: Das Essen kommt nicht aus dem Labor, sondern aus einer High-Tech-Küche. „Ich mache keine Dekonstruktion und will auch nicht die Gerichte verfremden“, sagt Amador. Auf der Speisekarte stehen vielmehr Klassiker der deutschen, französischen, italienischen und auch spanischen Küche, die „neu interpretiert“ werden. Amador ist ein Ästhet des Anrichtens. Um im Bild des Künstlers zu bleiben: Er mischt die Farben immer wieder anders, aber das Kunstwerk bleibt erkennbar.
Das „Amesa“ ist also keine Kopie des „Amador“ in Langen. Der Maître spricht lieber von der „Mannheimer Schwester“. Sie soll den Einstieg in die Küchenphilosophie Amadors erleichtern, die in Langen zelebriert wird.
Dort experimentiert er auf der Basis der katalanischen, baskischen und französischen Küche mit Texturen und Aromen, testet neue Gartechniken und überrascht auch mal mit neckischen Stickstoff-Spielchen. In Mannheim dagegen werden „Evergreens“ wie Tournedos „Rossini“, Seezunge „à la meunière“ (nach „Müllerin-Art“) oder „Pfirsich Melba“ modernisiert. Die spanische „Gazpacho“ beispielsweise tritt als feine, kühle Tomaten- Suppe auf, kombiniert mit gebratenem Kaisergranat und Gurken-Eis. Auf „Schwarzwälder Art“ wird die marinierte Gänseleber serviert; allenfalls die Kirschen und entfernt auch noch der Kakao erinnern an die berühmte Torte. Atlantik und Mittelmeer fusionieren bei der bretonischen Sardine „niçoise“: Bohnen, Oliven, Kapern und Tomaten dekorieren den Fisch. Die „Tournedos Rossini“ schließlich kommen als Filet-Türmchen, belegt mit Scheiben von gebratener Gänseleber und Trüffel, auf den Tisch.
Das Regiment am Herd führt eine Frau: Caroline Baum
Auch preislich fällt der Einstieg im „Amesa“ etwas leichter. Das Sieben-Gänge-Menü kostet in Langen 209 Euro – damit hat Amador als einer der ersten Drei-Sterne-Köche in Deutschland die 200-Euro-Schallmauer durchbrochen. In Mannheim wird ein Fünf-Gang-Menü zu 129 Euro angeboten, inklusive „süßer“ Tapas zum Abschluss, wie etwa die knusprigen Lollies aus Karamell und Kaffee, die man schon von Langen her kennt
.
Natürlich kann auch à la carte bestellt werden, Menüzwang gibt es nicht. Rund 350 Positionen aus Deutschland, Frankreich und Spanien umfasst die Weinkarte. Ausgewählte Tropfen können glasweise (0,1 Liter) zu den einzelnen Gängen bestellt werden.
Komponiert hat Amador die neuen Kreationen zusammen mit seiner langjährigen Sous-Chefin Caroline Baum. Die 27-Jährige trägt mittlerweile allein die Verantwortung für die „Amesa“-Küche. Amador selbst stand nur an den ersten Tagen mit am Herd in Mannheim, als "Spielertrainer“, wie er sagt. Längst gehen ihm andere Projekte durch den Kopf. Nach einem gescheiterten Engagement in Moskau hat er mit der Hotelkette Rotana einen Zehn-Jahres-Vertrag über fünf Restaurants in der Golfregion abgeschlossen.
Auch auf Mallorca ist Amador aktiv. Und dann muss er sich ja noch um seine Versuchsküche mit der angeschlossen Amador-Suite als Mikro-Hotel im Frankfurter Stadtteil Fechenheim kümmern. „Die Mannheimer sind mir auf Anhieb sympathisch gewesen“, sagt Amador, „ich liebe ihre offene, direkte Art.“ Wurzeln schlägt er hier dennoch nicht. Den umtriebigen Schwaben zieht es immer wieder hinaus in die Welt.
Text: Michael Schröder
Weitere Informationen
Restaurant Amesa
Floßwörthstraße 38 (neben Metro)
68199 Mannheim
www.a-mesa.de
Tel. 0621 8547496
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag ab 18.30 Uhr